Physica Sacra – Diverse Originalseiten aus der Kupferbibel von Johann Jacob Scheuchzer
26 / 11 / 2018
29. November bis 22. Dezember 2018
Ausstellungseröffnung: Donnerstag, 29. November 2018, 19 Uhr
Wenn man vor der Epoche der Aufklärung ein Buch suchte, das die ganze Welt erklärt, las man die Bibel. Die Aufklärung und das noch junge Druckgewerbe produzierten im 17. Jahrhundert so eine Flut an Informationen, daß die Gelehrten mit deren Verarbeitung nicht mehr Schritt halten konnten. Die neuen Erkenntnisse gerieten mit der Religion und althergebrachten Vorstellungen in Konflikt. Die Idee eines allwissenden Universalgelehrten war überholt und neue wissenschaftliche Kategorien und Disziplinen mussten erst definiert werden. Der Schweizer Arzt und Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer entwickelte zu dieser Zeit mit der Physica Sacra, einer reich illustrierten Kupferbibel in vier Bänden, neue Wege der Wissenserfassung und -vermittlung. Diese frühe Enzyklopädie folgt zwar, bei der Genesis beginnend, dem biblischen Text, stellt diesem aber mit detaillierten Illustrationen und ergänzenden Texten den aktuellen Wissensstand gegenüber, ohne sich dem Bibeltext unter zu ordnen.
Scheuchzer präsentiert zum Beispiel einen genauen Grundriß der Arche Noa und berechnet ihre Maße, wenn alle Tiere hineinpassen sollten. Läuse werden durch ein Mikroskop betrachtet und vergrößert abgebildet und die Menschwerdung Adams mit der Darstellung eines Fötus illustriert. Scheuchzer rechnet vor, daß der Turmbau zu Babel nach der biblischen Beschreibung 1.763.128 Arbeiter gebraucht haben muß. Aber er hielt auch Muschelkalkfelsen, ein fossiles Skelett und geologische Faltungen in den Alpen für Folgen der Sintflut.
Die Vorlagen für die 762 Kupfertafeln der Bibel wurden von Johann Melchior Füssli gezeichnet, der unter anderem bei dem Berliner kurfürstlichen Hofkupferstecher Samuel Blesendorf das Radieren erlernt hatte. Füssli bediente sich dabei aber auch bei Bildvorlagen von Frederick Ruysch, Andreas Vesalius und Antoni Van Leeuwenhoek. In der Schweiz erhielt das Buch seinerzeit keine Druckgenehmigung. Es erschien ab 1731 bei dem Augsburger Verleger Johann Andreas Pfeffel, der hervorragende Kupferstecher beschäftigte. Die Physica Sacra war ein gigantisches Projekt, mit dem Anspruch noch einmal Religion, Wissenschaft und Spiritualität zu verbinden und die ganze Welt in einem Buch abzubilden. Die Kupferstiche sind nicht nur Meilensteine der wissenschaftlichen Informationsgrafik. Sie entwickelten eine Bildgrammatik, deren Einfluß bis zu den Superheldencomics des 20. Jahrhunderts reicht.